Tipps und Tricks

Hafenmanöver lernen ohne Stress

Hafenmanöver lernen ohne Stress

Hafenmanöver lernen

Ablegen ist optional, Anlegen obligatorisch. Es führt kein Weg daran vorbei Hafenmanöver zu lernen, wenn man als Skipper ein Boot führen will. Für mich war das lange ein Angstthema und ich habe mir wirklich viele Gedanken darüber gemacht, wie man am Besten lernt sicher mit dem Boot im Hafen zu manövrieren. Hier mein Vorschlag: Sich dem Thema ganz langsam und ohne Stress nähern. Findet doch erst mal raus, wie sich das Schiff steuern läßt. Einfach mal machen ist nicht für alle der beste Weg und das ist völlig ok!

Es muss ja nicht gleich einhand sein

Nicht jeder hat Verständnis dafür, dass Hafenmanöver schwiewig sind. Ich hab auch schon gehört: “Dann fahr halt einfach mal in die Box”. Kann man so machen, muss man aber nicht. Jetzt will man ja aber nicht gleich ganz alleine Üben und ist auf die Hilfe der Mitsegler angewiesen. Damit man nicht vor jedem Hafenmanöver erneut diskutieren muss: Erklärt euren Mitseglern einmal ausführlich dass ihr ganz in Ruhe die Hafenmanöver üben wollt und bittet um Unterstützung. Wenn sich die Begeisterung der anderen in Grenzen hält: Wünscht euch doch zum Geburtstag Hilfe beim Lernen. Macht die Hafenmanöver zu eurem Projekt und macht euch selbst und eurem Partner klar, wie wichtig das Projekt ist. Also ab in die Boxengasse? Wenn ihr wollt, könnt ihr so starten. Ihr könnt das Ganze aber auch viel entspannter angehen lassen. Macht viel mehr Spaß.

Üben mit viel Platz

Übung 1 – Treiben lassen

Es geht los. Sucht euch eine freie Fläche Wasser mit wenig Verkehr an einem Tag mit wenig Wind und Welle. Bringt das Schiff zum Stehen und beobachtet, was passiert. Wenn es nicht total windstill ist, wird das Boot anfangen zu treiben. Der Bug wird vom Wind zur Seite geschoben und das Schiff treibt mit dem Heck im Wind davon. Merken: Der Bug dreht aus dem Wind. Wenn ihr später in einer engen Boxengasse mit Seitenwind zu stehen kommt, passiert auch genau das. Also wenn ihr irgendwo kurz stehen bleiben wollt, müsst ihr mit dem Bug vorhalten, ihn ein wenig in den Wind stellen.

Das ist leider der ganz große Unterschied zwischen Auto und Boot. Beim Auto kann man einfach anhalten und sich überlegen wie es weitergeht, beim Boot nicht!

Das Schiff dreht also immer mit dem Bug aus dem Wind und treibt mit dem Heck im Wind davon – wie eine Windfahne. Darum ist es viel einfacher, sich beim Warten vor einer Schleuse mit dem Heck in den Wind zu stellen. Mit entsprechend Schub rückwärts bleibt man so sauber auf der Stelle stehen. Beim Drehen auf engem Raum bei viel Wind habt ihr gewonnen, wenn der Bug durch den Wind gedreht ist, aber dazu später.

Übung 2 – Schalten

Versucht, gefühlvoll zu schalten. Beim Umschalten von Vorwärts auf Rückwärts macht im Leerlauf eine kurze Pause. Das ist besser für das Getriebe und die Nerven der Mitfahrer. Auch wenn der Hebel bei alten Schiffen ungünstig unten in der Plicht liegt, nicht mit dem Fuß schalten! Das geht irgendwann schief. Lernt blind zu schalten ohne runter auf den Hebel zu schauen. Sonst verliert ihr in dem Moment, in dem ihr euch bückt und runter auf den Gashebel schaut, die Übersicht. Ist mir jedenfalls so gegangen.

Fahrt ganz langsam vorwärts, dann schaltet mit kurzer Pause im Leerlauf auf den Rückwärtsgang, aber gebt erst mal nur wenig Gas. Und das ein paar Mal vor und zurück.

Übung 3 – Schlangenlinien vorwärts

Das Schiff wird mit dem Ruder gesteuert. Steuern kann man nur, wenn das Ruder angeströmt wird, also entweder bei Fahrt durchs Wasser oder beim Anfahren vorwärts schon vorher durch das Schraubenwasser. Ein Schiff lenkt nicht wie ein Auto vorne sondern wie ein Mähdrescher oder Gabelstapler hinten. Der Bug dreht viel weniger als das Heck. Das Heck schwenkt sozusagen aus. Das solltet ihr mal vorwärts mit ein paar Schlangenlinien ausprobieren. In der Boxengasse muss man genau wissen, wieviel das Heck beim Abbiegen in die Box ausschehrt damit man nicht den Dalben anditscht.

Übung 4 – Radeffekt

Der Radeffekt dreht das Heck zur Seite, so als wenn der Propeller ein Rad wäre, das über den Grund läuft. Die Physik dahinter erspar ich euch. Beim Anfahren vorwärts kann man den Radeffekt mit dem Ruder ausgleichen weil das vom Schraubenwasser angeströmt wird. Rückwärts muss man aber erst Fahrt aufnehmen ehe eine Ruderwirkung einsetzt.

Ihr müsst rausfinden, wie herum euer Propeller dreht und wohin das Heck bei Rückwärtsfahrt versetzt wird. Dazu bringt ihr das Schiff zum Stehen, gebt einen ordentlichen Schub Gas nach hinten (dann wieder Gas wegnehmen) und beobachtet was das Heck tut. Merkt euch zu welcher Seite das Heck versetzt wird. Den Radeffekt muss man beim Manövrieren im Hafen einkalkulieren. Manchmal ist er nützlich, z.B. kann man beim längsseits anlegen damit noch einmal das Heck an den Steg bringen ohne Fahrt aufzunehmen. Wenn man weiß, wie weit das Heck beim Anfahren zur Seite ausbricht, stellt man das Schiff einfach beim Aufstoppen entsprechend schon schief hin. Der Radeffekt zieht das Schiff dann wieder gerade.

Übung 5 – Aufstoppen

Nehmt Fahrt vorwärts auf, dann stoppt wieder auf. Kommt richtig zum Stehen. Kontrolliert das an den Bläschen im Wasser. Wie lang ist der Bremsweg bei welcher Geschwindigkeit. Hier lässt sich auch das Schrägstellen zum Ausgleich des Radeffektes üben.

Übung 6 – Rückwärts fahren

Fahrt eine Strecke rückwärts und versucht den Kurs zu halten. Vorsicht: Fahrt nie zu schnell rückwärts. Das Ruder kann bei zu viel Fahrt plötzlich umschlagen und ist dann kaum zu halten. Probiert aus, ob ihr euch lieber seitlich stellt und über die Schulter schaut beim Rückwärtsfahren, oder ob ihr euch besonders bei einem Steuerrad mit dem Rücken zum Bug hinstellt. Ich finde, sich ganz umzudrehen bringt zu viel Unruhe, aber probiert aus, wie ihr besser klarkommt.

Übung 7 – Enge Kreise fahren
Hafenmanöver lernen Wendekreis

Die meisten Schiffe haben auch Vorwärts in die eine Richtung einen kleineren Wendekreis als andersherum (liegt wieder am Radeffekt). Probiert das aus. Fahrt jeweils aus dem Stand vorwärts einen ganzen Kreis rechts rum und einen ganzen Kreis links rum.

Übung 8 – Wenden auf engem Raum

Die Kreise, die ihr in der vorigen Übung gefahren seid, sind zu groß für die meisten Boxengassen.

So dreht ihr fast auf der Stelle: Stoppt das Boot auf, legt hart Ruder und gebt einen kräftigen Schub vorwärts bis ihr merkt, dass das Boot anfängt sich zu drehen. Das Boot fängt schneller an zu drehen, als es Fahrt aufnimmt (Massenträgheit). Dann schaltet auf den Rückwärtsgang und gebt nur so viel Gas, dass das Boot auf der Stelle stehen bleibt. Das Ruder braucht ihr nicht zu verändern. So lange das Boot keine Fahrt rückwärts durchs Wasser macht, habt ihr eh keine Ruderwirkung. Das Schraubenwasser strömt das Ruder nicht an. Wenn das Boot fast nicht mehr dreht, gebt wieder einen Schub vorwärts. Das wiederholt ihr so lange, bis ihr den Kreis vollendet habt. Beobachtet, wie der Wind auf den Bug wirkt, an welcher Stelle des Kreises er bremst oder mithilft.

 

Übung 9 – Freies Üben

Dann fahrt Kreise rückwärts, fahrt Achten, werft eine Übungsboje über Bord und holt sie wieder ein, habt Spaß. Denkt nicht zu früh, jetzt muss es aber langsam an die Hafenmanöver gehen. Nein, es ist ganz wichtig, ein Gefühl für das Schiff zu bekommen und sich am Gashebel wohl zu fühlen. Nehmt euch diese Zeit, dann geht es nachher umso schneller. Das Ziel ist, am Ende sichere Hafenmanöver zu fahren, nicht möglichst schnell zu lernen, wie man das macht.

Der Raum wird begrenzt

Im letzten Kapitel ging es darum, die Eigenheiten eures Bootes kennenzulernen.

  • Wie reagiert das Boot?
  • Wie lang ist der Bremsweg?
  • Wie rum dreht sich der Propeller, wohin wirkt daher der Radeffekt?
  • Wie stark muss ich beim Aufstoppen vorhalten?
  • Wie schnell dreht der Bug aus dem Wind?

Jetzt könnten wir uns daran machen, in die Box zu fahren. Aber wozu die Eile? Wir können vorher noch ein wenig üben.

In diesem Kapitel geht es darum, das im ersten Teil erworbene Wissen zu festigen. Im ersten Teil konzentrierten wir uns voll auf das Boot. Dazu brauchten wir viel Freiraum. Jetzt darf als neue Herausforderung eine Begrenzung des Manöverraums dazu kommen. Um einen Bezugspunkt bei den Manövern zu haben, sucht euch ein ruhiges nicht zu enges Hafenbecken. Wir machen Zielübungen um Sicherheit zu gewinnen.

Übung 1 -Exaktes Aufstoppen

Exaktes Aufstoppen

Den Bremsweg habt ihr schon ausprobiert. Jetzt sucht euch einen Bezugspunkt im Hafenbecken und kommt genau auf Höhe der Wanten zum Stehen. Auf dieser Höhe steigen beim Anlegen Längsseits eure Helfer an Land. Fahrt beim ersten Mal nicht zu dicht an die Wand, damit ihr euch noch nicht darum kümmern müsst, Bug und Heck frei zu halten beim Wiederanfahren. Wenn das gut klappt, wagt euch näher ran.

Übung 2 -Mit dem Heck rückwärts bis zum Hafenrand

Rückwärts an den Steg

Was parallel zur Mole klappt, geht sicher auch mit dem Heck voran. Sucht euch ein Ziel am Hafenrand und fahrt schön langsam ganz dicht ran. In der Praxis kann das nützlich werden wenn ihr sicher eine Leinenverbindung zum Land herstellen wollt. Wenn der Wind beispielsweise zu stark weht um in die Box zu fahren könnt ihr euch einfach an einen Pfahl hängen bis der Wind nachlässt. Ihr werdet sehen, wie gut ihr das Schiff im Griff habt, denn im Heck stehend seht ihr genau, wie viel Platz ihr noch habt. Und vorwärts wegfahren ist bei dieser Version auch kein Problem.

Übung 3 – Vorwärts bis zum Hafenrand

Aufstoppen

Das Gleiche Vorwärts. Hier kommt es darauf an, dass ein Mitsegler genaue Ansagen macht wie weit es noch bis zum Rand ist. Vom Ruder aus, sieht man das nicht so gut. Später beim Einfahren in die Box könnt ihr euch an der Länge des Nachbarboots orientieren. Auch die Ansagen sollten geübt werden. Sprecht ab, wie die Ansagen erfolgen (so ähnlich wie ein Funkspruch immer nach dem gleichen Muster aufgebaut ist). Der Helfer im Bug sollte die Ansagen nach hinten sprechen. Bei viel Wind hört der Rudergänger sonst michts. Ihr könnt den Abstand auch mit den Fingern der erhobenen Hand anzeigen.

Übung 4 – Und jetzt das Ganze mit Abbiegen

Anlegen am Steg

Die klassische Situation im Hafen ist folgende: Ihr fahrt die Gasse entlang bis ihr einen Platz findet und biegt dann in den freien Platz ein. Das üben wir erst mal ohne Gasse: Im Abstand von 1 ½ Bootslängen an der Hafenmole entlang fahren, dann abbiegen und vor einem zuvor festgelegten Punkt zum Stehen kommen. Übt das rechts rum, links rum, vorwärts und vor allem rückwärts. Bei viel Wind der nicht genau vom Anfang einer Gasse kommt ist rückwärts die sicherste Möglichkeit, eine enge Gasse zu befahren.

Übung 5 – Wenden auf engem Raum

Übt das Wenden auf engem Raum in der Nähe der Hafenmole. So habt ihr einen Bezugspunkt und könnt besser abschätzen, wieviel Platz ihr habt. Achtet vor allem darauf, wie weit das Heck ausschwenkt! Ihr wollt beim Wenden auf engem Raum weder Platz verschenken, noch mit dem Heck einen Pfahl touchieren. Wie das genau geht, könnt ich nochmal im ersten Teil der Serie nachlesen.

Übung 6 – Rückwärts in die Hafengasse

Gassentango
So sieht ein Gassentango aus

Wie schon gesagt, rückwärts in die Hafengasse rein hat den Vorteil, dass man vorwärts wieder rausfahren kann. Vor allem bei viel Wind ist das beruhigend und verhindert den “Gassentango”.

Den tanzt man, beim vergeblichen Versuch, in den Bug durch den Wind zu bekommen. Das Ende der Gasse rückt bei jedem Versuch näher und man sollte sich rechtzeitig entweder doch entscheiden, rückwärts aus der Gasse zu fahren, oder zusehen, dass man eine Leine über einen Pfahl bekommt und der Wind den Bug für uns in den Wind dreht.

Wie geht es weiter?

Diese Übungen solltet ihr bei unterschiedlichen Wetterbedingungen fahren, auch mit viel Wind, Wind von der Seite, Wind von hinten und von vorne. Wenn ihr soweit sicher seid, geht es im nächsten Schritt ans Anlegemanöver.

Zum Weiterlesen kann ich auch diesen Artikel der Yacht empfehlen:

Yacht: Besser anlegen

Viele Grüße Eure Katrin

Katrin
KatrinNeben dem Segeln mache ich noch begeistert Musik. Auf dem Blog bin ich für die Technik zuständig.

3 Kommentare Neues Kommentar hinzufügen

    1. Hallo Martin,

      wir sind zur Zeit etwas abgelenkt weil wir uns ein Haus in Dänemark kaufen und Dänisch lernen. Wenn wir uns aber erst mal eingelebt haben, geht es weiter.

      Viele Grüße

      Katrin

  1. Liebe Katrin, das ist echt cool! Die Skizze ganz am Anfang und vor allem die ganz detaillierten Beschreibungen und Videos, wow! Das macht Sinn auch einem ganz “untechnischen” Typ wie ich ;). Muss unbedingt auch meinem Mann zeigen, bevor wir nächste Woche nach Kroatien gehen.

    Allzeit gute Fahrt und immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel!

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