Logbucheintrag

Am Wind nach Heiligenhafen

Jahr:         
Datum: 20-06-2019
Ausgangshafen :          Zielhafen :
Distanz: 32 sm    signifikantes Wetter: windig

Donnerstag – warum überhaupt ein Mini? Blöde Frage, muss aber mal gestellt werden ;-}

Heute wollen wir früh los und nach Heiligenhafen. Abends noch schön essen gehen? Mal sehen. Es kommt wie immer: Als wir endlich fertig sind, ist es 11 Uhr. Ist so unsere Zeit, wenn wir früh los wollen. Der Stegnachbar erzählt uns kurz vorm Auslaufen, dass sein Bootsdiesel nicht mehr läuft.

Katrin: Und ich erschrecke kurz, Thomas will den Diesel hoffentlich nicht reparieren?!?

Er will mit seiner Frau am nächsten Tag mit der Fähre zurück nach Großenbrode fahren. Den Motor soll sich dann die Woche über der örtliche Mechaniker ansehen. “Dann fahrt doch mit uns mit, wir bringen euch nach Heiligenhafen!”. “Meint ihr das ernst?”

Alleine die Frage regt mich schon ein wenig auf. Sind wir nicht alles Seeleute? Ok, aber zumindest doch Sportsfreunde! Und da hilft man sich doch. Gerade in so einer Situation. Erst als auch Katrin das Angebot wiederholt glaubt uns der nette Mann. Dass er als Toilette gerne unseren Eimer nehmen kann oder sich alternativ die eigene Pütz einpacken muss, haben wir ihm zu diesem Zeitpunkt noch nicht gesagt. War auch nicht nötig. Seine Frau lehnt direkt ab, als er sie hoffnungsvoll fragt. Er wäre gerne mitgesegelt, sie auf keinen Fall. OK, wer einen Mini nicht kennt, glaubt sicherlich: Total kippelig und gefährlich. Dass sie gerade die Chance vertan hat, im geilsten Boot der Welt mitfahren zu können, konnte sie ja nicht wissen. Die beiden gucken uns aber dennoch nach, und ein anderer Nachbar hilft mit den Leinen. Beim Wegfahren bekommen wir noch Bruchstücke des Gesprächs der beiden Männer mit: “Echt ein tolles Boot….” Recht haben sie.

Die Überfahrt machen wir zusammen mit drei deutlich größeren Booten. Mal sind wir, mal die anderen schneller. Irgendwann sind sie dann doch alle weg. Wir sind uns sicher, dass alle irgendwie hinter uns zurück geblieben sind, aber so genau haben wird das andererseits auch nicht verfolgt.

Ruhige Fahrt

Die Überfahrt selber ist wie meist in dieser Woche ein Amwind-Kurs. Erst an der äußersten Spitze Fehmarns bekommen wir den Wind etwas raumer. Wir haben irgendwie beide keine Lust mehr, den Code 0 für die letzte Stunde raus zu kramen. Dennoch kommen wir recht früh in Heiligenhafen an und verbringen dort einen schönen Nachmittag. Bei Baltic Kölln kaufen wir ein neues Gummiband um die Fock nach dem Bergen an der Seereling anbinden und so vorm Ausrauschen bei Windböen sichern zu können. Dann noch Gleitspray für das Groß. Es lässt sich für Katrin trotz Flaschenzug immer noch zu schwer setzen, Schmirgelpapier um die Gelcoatarbeiten abschließen zu können und noch ein paar Kleinigkeiten wie eine neue Curryklemme für unsere Cunningham. Die alte ist defekt. Mit der Cunningham kann das Vorliek des Großsegels gestrafft werden. Ist besser als mit dem Fall das Vorliek zu spannen. Ich bastle noch ein wenig rum und dann schlendern wir erst über die neue Seebrücke und genehmigen uns zum Abschluss vor der Bretterbude ein schönes Feierabendbier. Aus dem Glas schmeckt es doch besser als aus der Dose!

Dabei stellen wir uns noch immer die Frage: „Warum in Gottes Namen sind die beiden nicht mit uns mitgefahren?“ Selbst fuhren sie ein älteres, etwa 9 Meter langes Segelboot, also auch keinen Ozeanriesen. Der Landweg nach Großenbrode Fähre bedeutet: mit dem Bus nach Spodsbjerg, dann mit der Fähre von Langeland rüber nach Lolland, dort weiter mit dem Bus nach Rödby, von dort mit der Fähre nach Puttgarden und mit Bus oder Bahn nach Großenbrode von wo es dann abschließend mit dem Taxi nach Großenbrode Fähre geht. Wir schätzen für die Aktion braucht man einen ganzen Tag und es kostet sicherlich auch eine ganze Menge Geld.

OK, ein Mini sieht sportlich aus und man könnte erwarten, dass da nur Wahnsinnige mitfahren. Aber sehen wir wahnsinnig aus? Nein, wohl eher nicht. Wir finden keine gemeinsame Erklärung, warum die beiden das Angebot abgelehnt haben. Ich denke aber, dass unser Angebot für die Beiden zu plötzlich kam und sie es heute anders entscheiden würden.

Katrin: Ähm, ich würde auch nicht spontan zu wildfremden Leuten in ein Boot ohne Klo steigen…

Seitdem wir den Mini haben, gibt es dazu aber grundsätzlich eher positive Reaktionen. Am nächsten Tag überholt uns beispielsweise eine 40 Fuß Yacht in der Hafeneinfahrt unter Motor. Neben uns wird der Skipper plötzlich langsamer und ruft rüber: “Da habt ihr aber ein tolles Spielzeug!” Recht hat er. Einige wissen sogar, worum es sich beim Mini handelt. Dass es eben nicht ein kompromissloser Renner, sondern ein schnelles und zugleich sicheres Boot ist. Es wurde gebaut, um eine Regatta quer über den Atlantik zu segeln. Unser Mini ist Kategorie B, außerhalb von Küstengewässern. Für A – Hochsee – müssten wir strukturell nichts ändern, sondern lediglich weitere Ausstattung, wie eine Rettungsinsel und ein ordentlich gegen überschlagende Wellen gesichertes Schott einbauen. Um hochseetauglich zu werden, fehlt der Polka also lediglich Ausrüstung.

Auch bei schlechtem Wetter eine gute Wahl

Die Sicherheit war für uns tatsächlich ein wichtiger Punkt als wir uns für die Polka entschieden haben. Wir hatten die Wahl zwischen einer H 22, einer J 22 oder der Polka. Die beiden anderen wären mit Trailer gewesen. Wir haben uns damals extra eine J 22 auf der Schlei ausgeliehen und sind einen Tag lang Probe gesegelt. Hat super Spaß gemacht. Das Teil hat einen spitzenklasse Wendewinkel und macht riesig Spaß. Für zwei Personen ist die Liegefläche in der Kajüte auch groß genug. Den Ausschlag hat für uns die Frage gegeben: „Was machen wir, wenn wir am Wochenende mal nach Dänemark gesegelt sind und dann das Wetter umschlägt?“ Sicherlich nicht mit der J22 zurück fahren. Da hätten wir, wenn uns niemand die Rückfahrt mit einem Mini angeboten hätte, den langen Weg über Spodsbjerg, Rödby, Puttgarden und so weiter nehmen müssen. Mit dem Mini kann das Wetter auch mal etwas schlechter sein.

“Ein Mini ist das Bekenntnis zur Unvernunft!”.

Toller Spruch, stimmt auch irgendwie. Aber ist es wirklich unvernünftig, ein Boot zu fahren mit dem man grandiosen Spaß hat, und dafür die halbe Zeit basteln muss?

Ich gebe mal ein Beispiel. Mit der Argo, unserem Boot davor hatten wir auch viel Spaß. Es war 9,40 Meter lang und 3,5 Tonnen schwer. Wenn wir damit beispielsweise bei 4 Bf Westwind von Wendtorf aus nach Bagenkop gefahren sind, haben wir nach der Hafeneinfahrt die Segel gesetzt und sie kurz vor Bagenkop wieder geborgen. Zwischendurch haben wir noch einen Kaffee gekocht und ein paar Schnittchen geschmiert. Oder heute mal etwas Kochen? Alles kein Problem. Da es uns damals nicht auf Geschwindigkeit ankam haben wir auf der Fahrt nur noch sehr selten die Segel richtig eingestellt. Das war für uns damals völlig in Ordnung. Da ging es uns mehr um das Ankommen, das Maritime und das Segelfeeling, nicht darum, das Maximale aus dem Boot herauszuholen.

Katrin: Wir hatten einen Spi und einen Blister und manchmal haben wir die auch ausprobiert. Nur konnte man damit nicht so viel mehr Geschwindigkeit rausholen wie bei der Polka.

Dieselbe Fahrt mit dem Mini? Du verstellst permanent die Segel! Irgendwas probierst du immer aus, um noch etwas mehr Speed herauszuholen. Spätestens hinter dem Kieler Leuchtturm wird der Code 5 rausgeholt. Oder der Code 0. Probieren wir es aus. Kochen? Macht keinen Spaß bei dem Geschaukel. Es gibt eine 5 Minuten Terrine und ein Brötchen. Maximal mit Butter und draufgelegter Wurst.

Ich will nicht sagen, dass Mini fahren besser ist. Man segelt nur mehr und wohnt weniger. Man tut das, wofür wir eigentlich hier draußen rumfahren. Zugegeben, Luxus ist anders. Mädels müssen sehen, wie sie auf dem Eimer sitzen bleiben und Jungs müssen sich beim Pinkeln vor den Eimer knien. Händewaschen? Na egal. Sollten wir uns nicht alle mal überlegen, etwas weniger zu besitzen und somit weniger CO2 zu erzeugen? Ein Mini ist zwar keine Lösung, hilft aber dabei, sich auch privat auf viel weniger einzustellen.

Also mein Appell am Ende des Tages ist: “Wenn sich euch die Möglichkeit bietet, bei einem Mini mitfahren zu können, probiert es aus!” Ansonsten kauft euch einen. Wenn ihr so ähnlich wie wir drauf seid, werdet ihr es nicht bereuen.

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