Wenn man drei Wochen auf einem Mini 6.50 Urlaub machen will, muss man entweder viel Kummer gewohnt sein oder sich sehr mögen. Zweites ist zutreffend.
Was bringt ein Paar dazu, beide so um die 50 Jahre alt, das bequeme Wohn- und Fahrtenschiff zu verkaufen, sich einen Mini 6.50 anzuschaffen und dann drei Wochen im Sommer über die Ostsee zu fahren?
Die Antwort ist einfach: Mehr als 7 Meter braucht kein Mensch. So haben wir uns das bisher eingeredet. Diesen Sommer wollen wir ausprobieren, ob das stimmt. Wir wollen das erste Mal länger als eine Woche mit dem Mini unterwegs sein. Nicht weit, Fünen Rund und die dänische Südsee. Es soll neben dem Test, ob wir 6,50 Meter tauglich sind auch ein Übungstörn für das Einhandsegeln werden. Außerdem wollen wir das etwas schnellere Segeln lernen. 10 Knoten und Gleitfahrt sind unser erklärtes Ziel.
Vorab gesagt, eine richtige Probe wurde es nicht. Dazu war das Wetter zu schön. Wir hatten nur ein einziges Mal Regen. Ein kleines Gewitter ist eines Abends über uns hinweg gezogen. Maximal zwei Stunden, dann war es wieder vorbei. Ein Ostseetörn ohne Regen kann keine richtige Probe sein. Den Test müssen wir wiederholen. Gerne .
Wenig Gepäck
Wir wollten konsequent sein und uns beweisen, dass wir Minimalisten sind. Wir haben möglichst wenig Gepäck mitgenommen. Das ist auf einem 6,50 Meter Boot zu zweit gar nicht unbedingt notwendig, außer zur Gewichtsersparnis. Aber wir wollen auch gerne mal noch länger unterwegs sein und dann hilft es sicher, wenig zu brauchen. Gewicht falsch positioniert entscheidet schon mal über Gleiten oder nicht Gleiten. Wir haben jeder eine kleine Reisetasche an Kleidung und persönlichen Dingen mitgenommen. Die warmen Sachen hätten wir uns zum größten Teil sparen können, nur das konnten wir vor dem Törn ja nicht wissen.
Essen und Trinken
Etwas schwieriger als bei einem großen Boot ist die Lebensmittelversorgung. So ganz ohne Kühlschrank bei dem herrlichen Wetter ist die Lagerung teilweise schwierig. Durch den flachen Rumpf ist auch die Bilge nur knapp unter der Wasseroberfläche und somit kaum gekühlt.
Mit der Polka fahren wir deutlich weitere Strecken als früher mit der Argo. Wir kommen oft spät an und abends einkaufen ist also nicht immer möglich. Der Anteil an Nudelgerichten ist somit relativ hoch. Selbst eingekochte Bolognesesauce hilft uns aber darüber hinweg zu sehen, sehr lecker!
Der kleine Kartuschenkocher stellt sich als nur bedingt nutzbar heraus. Ein Liter Wasser dauert damit gerne 15 Minuten oder länger. Außerdem ist die selbst gebaute Halterung bei Seegang untauglich. Zu zweit geht es so eben. Alleine 15 Minuten auf den Kocher aufzupassen ist inakzeptabel. Wir werden aufrüsten und uns einen Jetboil besorgen müssen.
Wasser haben wir in einem weichen Kanister dabei, dazu Mineralwasser in Flaschen. Die dünnen Plastikflaschen platzen im Seegang, die dicken halten.
Ordnung
Die größte Herausforderung auf der Polka ist es mit zwei Personen Ordnung zu halten. Sobald etwas Welle ist, fliegt im Boot alles durcheinander. Wir müssen uns mal Taschen nähen, in die zumindest das Kleinzeug einfach reingeschmissen werden kann. Mit der Zeit gewöhnen wir uns aber an die permanente Unordnung. In dem kleinen Boot sucht man nichts besonders lange und wir haben nur Zeug dabei, das wir wirklich brauchen. Die Polka hat vier große Staufächer im Inneren. Die sind mit Holzplatten abgedeckt, auf denen man im Boot sitzen kann. Beim Öffnen der Platten scheint ein Vakuum alles was drauf oder daneben liegt direkt einzusaugen und unter der Klappe zu verkeilen. Jedes Mal muss erst alles von den Klappen runtergenommen werden, bevor man sie öffnen kann. Das nervt wirklich.
Segeln
Segeln mit der Polka macht Spaß.
Zuerst einmal hat man immer etwas zu tun. Das würde ich als den größten Unterschied und größten Vorteil sehen. Bei einem Fahrtenboot wird man schnell lethargisch. Da werden die Segel nicht mehr nachgestellt oder gewechselt denn der Unterschied in der Geschwindigkeit ist minimal. Wenn das Segel steht, dann steht es. Die Polka gibt dagegen sofort Rückmeldung wenn der Holepunkt geändert wird (jedenfalls auf dem Level, auf dem wir heute segeln). Auch die Manöver sind anspruchsvoller. Bis der Code 0 steht, gibt es einiges zu tun und wir wissen noch nicht, wie das am Besten geht. Jedes Manöver sprechen wir vorher durch, versuchen die Abläufe zu verbessern und fahren dann raus zum üben. Und das Üben macht Spaß. Der Stand der Segel wird permanent kontrolliert und angepasst. Einfach nur rumsitzen und den anderen fahren lassen funktioniert nur, wenn man zu müde ist und sich hinlegen muss. Ansonsten gibt es immer etwas zum Einstellen und Verbessern.
Ein einfaches Beispiel ist der Traveller. Bei der Argo konnte man ihn einbauen, da war er etwa einen Meter lang. Bei der Polka geht er über die komplette Breite des Bootes. Verstellt man hier was, ändert sich gleich der Twist im Segel .
Toll sind außerdem die recht kleinen Segel. Fahren wir am Wind und haben den Code 0 oben, führen wir knapp 70 qm Segelfläche. Das klingt für ein 6,50 Meter Boot erst mal sehr viel. Groß und Code 0 haben jeweils aber nur etwa 25 qm. Das ist einzeln gesehen überschaubar und vor allem beherrschbar. Wird der Wind plötzlich stärker, kann man die immer noch gut bändigen und reffen bzw. ganz einholen. Bei einem 40 qm Groß ist das schon eine ganz andere Nummer.
Ausrüstung
Aber wir wollen nicht schon wieder nur vom Mini schwärmen, sondern berichten, wie der erste große Test ausgefallen ist. Also weiter, wie war es im Boot? Aufgrund des fehlenden Regens war es bis auf ein paar Undichtigkeiten an der Luke im Vorschiff und an der zentralen Klampe vorne immer trocken im Boot. Es wurde aber sehr schnell sehr warm. Liegt wohl an unserer dunklen Lackierung und an der großen Oberfläche. Tagsüber schlafen fällt da schon extrem schwer.
Die elektrische Anlage der Polka ist verbesserungswürdig, uns fehlt z.B. der Windmesser.
Mit dem könnte man sich eine Tabelle machen, welches Segel bei welchem Wind gesetzt werden kann. So fehlen uns die Erfahrung und die Richtwerte. Wir müssen immer ausprobieren und treffen dabei nicht jedes Mal die richtige Konfiguration.
Selbststeueranlagen haben wir zwei. Eine autonome mit eigenem Kompass. Die wird einfach angeschlossen und aufgesteckt. Sie funktioniert soweit ganz gut, nur wenn es unruhiger wird, reicht der Ruderausschlag nicht und sie verliert schon mal den Kurs. Die andere ist Teil der eingebauten Raymarine Anlage ST60. Der Kompass ist fest ins Boot eingebaut und sie kann an den Windmesser angeschlossen werden und Winddreher ausgleichen. Die hat leider den Geist aufgegeben. Irgendwann hat sie nur noch gebrummt. Bis dahin hat sie aber auch viel Welle und Wind problemlos gemeistert. Wollen wir auf jeden Fall wieder reparieren lassen.
Der Tiefenmesser funktioniert einwandfrei.
Die Logge haben wir nicht richtig eingestellt bekommen. Die haben wir versucht mit dem GPS einigermaßen zu eichen. Klar, Strömung macht das Ergebnis ungenau.
Die Dreifarbenlaterne und die Innenbeleuchtung tun was sie sollen und sind OK.
Als Plotter fahren wir einen Fischfinder. Der hat zu wenig Kontrast. Details sind nur sehr schlecht zu erkennen. Dann befindet sich das Boot auf der Anzeige genau zentral. Bei anderen Plottern kann man das Boot eher ins untere Drittel stellen. Somit kann ein besserer Maßstab gewählt werden, da ja nach vorne mehr Fläche sichtbar ist. Überhaupt ist der Fischfinder sehr langsam. Wir sind also endlich mal nur nach Karte und Kompass gefahren, auch bei Nacht und das hat viel Spaß gemacht. Aber Safety first: Wir haben uns am Ende Navionics aufs Handy installiert und sind damit gefahren. Das ging erstaunlich gut, gerade bei Nacht.
Außenborder
Unser Außenborder. Der ist ein Fall für sich. Eigentlich funktioniert er immer einwandfrei. Aber warum auch immer, uns fehlt das Vertrauen in die Maschine. Liegt vielleicht an dem rappeligen Sound der Maschine. Bei einer Durchfahrt durch den Svendborgsund, nachts bei 3 Knoten Gegenströmung und zentnerweise Seegras an den Rudern und am Kiel haben wir gedacht er wäre kaputt. Es schien als würde er keinen Vortrieb mehr haben und Blasen auswerfen. Wir haben uns schon überlegt, wie wir im Urlaub an einen neuen kommen. Am nächsten Tag lief er wieder einwandfrei. Bleibt das schlechte Handling: Der viel zu kleine Schalthebel ist auf der falschen Seite zu weit unten. Schalten im Hafen ist eine Tortur. Wir werden uns einen anderen kaufen.
FAZIT
Der Urlaub hat extrem viel Spaß gemacht. Der fehlende Komfort war bei dem guten Wetter kein Problem. Der Platz ist für zwei Personen ausreichend. Dennoch sollten wir uns Stautaschen nähen, damit wir besser und einfacher Ordnung halten können. Sinnvoll ist sicherlich auch eine Abdeckung über den Niedergang, damit wir nachts, wenn es mal regnen sollte, das Schott auf lassen können. Es wird doch sehr schnell warm.
Das uns das Segeln mit dem Mini viel Spaß macht, wussten wir ja schon vorher. Wir haben wieder viel gelernt.Abläufe werden besser, die Manöver klappen auch einhand immer besser und wir sind heute schon wieder deutlich schneller unterwegs. Die 10 Knoten haben wir aber immer noch nicht knacken können. Der Rekord liegt bei 9,8 Knoten. Gleitfahrt: Check.
Wir beide sind auch auf dem kleinen Boot ausgesprochen kompatibel. Es gab nicht einmal Streit oder böse Worte. Für uns war die Entscheidung auf einen Mini 6.50 zu wechseln genau richtig.