Logbucheintrag

Rund Fehmarn

Jahr:         
Datum: 21-06-2019
Ausgangshafen :          Zielhafen :
Distanz: 55,5 sm    signifikantes Wetter: windig

Freitag – sind Regatten eigentlich nötig? Ja klar!!!

Einige Regatten gehen Fehmarn rund. Zum Beispiel heute Abend richtet der “Akademische Segelverein Warnemünde” eine Regatta aus, die von Warnemünde aus rund Fehmarn und dann nach Kühlungsborn geht. Da wollten wir eigentlich mitfahren. Leider müssen wir beide am Montag wieder arbeiten und der Wind verspricht am Sonntag eine sehr späte beziehungsweise gar keine Ankunft mehr in Kiel. Wahrscheinlicher wird es früher Montagmorgen.

Wir wollen aber wenigstens sehen, wie sich Fehmarn Rund anfühlt. Damit haben wir letztes Jahr schon einmal angefangen, mussten aber früh umkehren, weil unsere Dreifarbenlaterne nicht funktionierte und wir nicht ohne Licht durch in die Nacht segeln wollten.

Ratet wann wir dieses Mal, es sollte früh losgehen, abgefahren sind? Genau richtig, um 11! Wir dachten aber auch, dass wir in 6 Stunden einmal rum sind. War natürlich nicht so. Aber der Reihe nach.

Es fing schon mal ganz blöd an, nämlich ohne Wind. Die Segel haben wir am Ende der engen Fahrrinne von Heiligenhafen gesetzt und sind dann mir zwei drei Knoten Richtung Fehmarnsund geschippert.

Langsam geht’s voran

Später stellte sich dann doch etwas mehr Wind ein. Unter Fock und Groß ging es hart am Wind zur Fehmarnsundbrücke. Nach mehreren Wenden haben wir die Brücke sauber unter Segeln genommen. Knapp hinter uns ging eine neue Dehler 31 durch, mit der wir uns einen netten Fight liefern konnten. Sie war zugegebenermaßen etwas schneller als wir. Aber erst am Ende der Fahrrinne konnte sie uns überholen.
Der Wind drehte dann von Ost auf Nordost und nahm stetig zu. Wir entscheiden uns für den Code 0. Mit vier bis fünf Knoten ging es weiter.

Irgendwie haben wir es gar nicht richtig gemerkt. Der Wind wurde deutlich stärker und kam immer raumer, also aus nördlichen Richtungen. Für diese Windrichtung haben wir unheimlich weit nach Süden ausgeholt. Als wir es schließlich gemerkt haben konnten wir auf halben Wind abfallen. Unser Glück, denn jetzt ging der Tanz los.
Ab acht Knoten kommt die Polka bei moderaten Wellen ins Gleiten. Aber so richtig abreißen tut die Heckwelle erst ein bisschen später. Immer wieder überschreiten wir die acht Knoten und freuen uns tierisch. Der Wind nimmt weiter zu. Neun Knoten. Und dann stehen Zehn Knoten auf dem GPS. Wir sind ZWEISTELLIG!!! Das erste Mal mit der Polka schaffen wir die Zweistelligkeit. Am Ende werden es ganze 10,8 Knoten. Den Rekord aus dem letzten Jahr haben wir somit um einen Knoten verbessert!!! Viel zu schnell haben wir Staberhuk Ost erreicht und es geht auf Nordkurs und damit fast genau gegenan. Für heute ist der Spaß erst einmal vorbei. Wir rollen den Code 0 nur ein und lassen ihn als Schlauch oben. Wie blöd das ist, merken wir leider erst viel später.

Code Zero am Wind
Code Zero am Wind

Der Wind kommt jetzt wieder von vorne und nimmt deutlich ab. Das schafft uns die Gelegenheit, selbst eingekochte vegetarische Reispfanne aufzuwärmen. Essen selbst einzukochen ist eine tolle Sache. Der Reis ist vielleicht etwas verkocht, was an meinen Kochkünsten liegen könnte, aber kein Vergleich zu den üblichen 5-Minuten Terrinen.

Selbst eingekochtes Essen

Frisch gestärkt legen wir uns nacheinander hin und fahren gaaaanz langsam Puttgarden entgegen. Es dauert ewig, bis wir den Fähranleger querab haben. Mittlerweile hat sich der Wind noch weiter auf West gedreht. Heute haben wir echt kein Glück und es geht weiterhin gegenan. Unser Wendewinkel liegt bei etwa einhundertundzwanzig Grad. So kommen wir nur schleppend aus der Fahrrinne der Fähren raus und müssen ständig auf die ein- und auslaufenden Schiffe achten. Die Wellen werden immer höher und steiler. So langsam wird es unschön hier draußen. Irgendwann hat Katrin die Idee, den Code 0 jetzt mal ganz einzuholen. Er hängt immer noch als Wurst vor der Genua.

Durch die höher werdenden Wellen schlagen jetzt immer mehr von ihnen vorne über das Boot und beim Bergen wird nicht nur der Code 0 klatschnass. Dann reffen wir noch schnell das Groß. Erst ins erste und dann ins zweite Reff. Der Wendewinkel wird schlagartig besser. So geschätzt einhundert Grad. Wir werden den Code 0 nach dem Einrollen ab heute immer gleich bergen und nicht stehen lassen. Immerhin kommen wir jetzt schneller aus der Fahrrinne raus und weiter Richtung Westen. Reffen bremst Polkas Drang nach vorne bei diesem Wind überhaupt nicht. Es ist weit und breit keine Berufsschifffahrt im Belt unterwegs und so entscheiden wir uns für weite Schläge bis weit hinaus in die Fahrrinne der großen Pötte. So kommen wir ganz gut voran und der Spaß kommt schrittweise zurück.

Aber langsam wird es kalt und ungemütlich. Gegenanbolzen ist wirklich nicht das Schönste, was man mit einem Mini machen kann. Und dennoch gibt es immer mehr Minis in Deutschland. Und immer mehr gehen mit ihren kleinen, seegängigen “Glitschkisten” an die Startlinien der Regatten. Die neueste Regatta ist die Baltic 500, die in diesem Frühsommer zum ersten Mal gestartet wurde. 500 Seemeilen von Strande am Ausgang der Kieler Bucht, durch den Öresund an Kopenhagen vorbei, entlang der Westküste Schwedens um die Insel Læsö. Dann an der Ostseite von Jütland gen Süden durch den Großen Belt zurück nach Strande. Immerhin 10 Minis waren am Start. 8 davon sind angekommen.

Wenn hier noch zwei Mann Crews an den Start gehen, sind es beim Silverrudder nur noch Einzelfahrer die sich den Strapazen stellen. Sie müssen Fünen im Herbst etwa zur Tag-Nacht Gleiche umrunden. Letztes Jahr hatte ich auch gemeldet, habe meinen ersten Versuch, eine Einhand-Regatta zu bestreiten dann aber wegen der stürmischen Winde aufgeben müssen. Ich hatte auf jeden Fall zwei Tage und eine Nacht geplant, bin aber davon ausgegangen, auch noch mindestens in die zweite Nacht hinein fahren zu müssen.

Was hat mich dazu bewogen, beim Silverrudder mitzufahren? Abenteuerlust? Immerhin ist so eine mehrtägige Regatta eines der letzten Abenteuer unserer Zeit. Midlifecrisis? Passt vom Alter, ich bin gerade 50 geworden. Sich einer neuen Herausforderung stellen? Klingt schon besser. Das “normale” Leben stellt mich vor keine großen Herausforderungen mehr. Sich mit anderen messen zu können? Ja, der Spruch: “Ein Boot: segeln. Zwei Boote: Regatta.” ist ja nicht so ganz falsch. Oder ist es nur die einfache Lust am Segeln? Ja, das kann ich auch bestätigen.

Ich denke am Ende sind es all diese Dinge, die so viele Normalos hin und wieder dazu bringen, sich einer ganz besonderen Aufgabe zu stellen und für ein paar Tage den Alltag und den ganzen anderen Sch… zu vergessen.

Wir sind letztes Jahr zwei Regatten mitgesegelt. Einmal das 24 Stunden Rennen, das uns kreuz und quer über die westliche Ostsee schickte und dann “Südsee Rund”, eine eher private Veranstaltung mit 120 Seemeilen Strecke. Beide Male waren wir hellwach und haben immer versucht, die Segel wirklich optimal einzustellen. Klar, wir waren noch nicht so gut, dass wir unseren Code 0 bei ordentlich Wind zwischen den dänischen Inseln hochgenommen hätten, aber wir haben alles Mögliche rausgeholt und sind sicherlich am Ende wieder ein kleines Stück besser geworden. Probiert es mal aus, sobald man eine Regatta segelt und sei es auch nur aus Spaß, beschäftigt man sich viel intensiver mit dem Boot und wie man schneller wird. Sei es durch den richtigen Kurs oder die Stellung der Segel. Wir für uns können jedenfalls sagen, dass wir durch die Regatten eine weitere Tür aufgetan haben und noch deutlich mehr über das Segeln nachdenken.

So auch heute. Wir segeln ja nicht aus Langeweile Fehmarn Rund und kommen irgendwann durchgefroren und nass in der Nacht wieder im Hafen an. Nein, wir wollen für kommende Regatten üben und stellen uns deshalb dieser Strapaze. Und wie kann man besser üben, als auf einen Rundkurs? Probiert es aus, plötzlich segelt man nicht nur von Kiel nach Schleimünde, genießt die Nachmittagssonne im Cockpit und segelt dann am nächsten Tag zurück. Plötzlich steckt man sich neue Ziele und erlebt ganz tolle Momente und düst deutlich weitere Strecken und zu anderen Häfen.

Aber zurück zu unserer Fehmarn Runde. Kurz bevor wir die Nordwestspitze Fehmarns erreichen, krame ich etwas zu Essen aus der Kabine. Als mal wieder eine Welle über das Vorschiff geht, tropft es wild aus dem Luk im Vorschiff. Ich fummele dran rum und habe das Gefühl und die Hoffnung, dass der eine Riegel nicht ganz zu war. Jedenfalls sind die Matratzen und Schlafsäcke durchnässt. Mist, dann werden wir heute Nacht auch noch im Nassen schlafen müssen.

Dafür meint es die Polka und das Wetter jetzt noch einmal gut mit uns. Als die Sonne am Horizont verschwindet, bekommen wir den herrlichen West auf unserem Südkurs von der Seite. Wir reffen aus und fahren durchgehend über Rumpfgeschwindigkeit die Westküste Fehmarns entlang. Vergessen ist die hackige Kreuz und das nasse Bett. Polka ist in ihrem Element. Wir auch. Dafür tut man sich das an. Segeln im Dunkeln mit einem Affenzahn. Hinter uns das laute Rauschen der Heckwelle und wir glücklich auf unserer kleinen, schnellen Welt.

Irgendwie freuen wir uns, dass wir im Sund nachts um halb eins noch drei Seglern begegnen. Nachtsegeln ist wunderbar. Sollte bei jedem auf der ToDo Liste stehen, der das noch nicht ausprobiert hat.

Ziemlich fertig erreichen wir um ein Uhr die Marina Heiligenhafen. Wir schnappen uns wie wir sind zwei Dosen Bier und watscheln in unserem nassen Ölzeug in Stiefeln zum Fischereihafen. Hafenbier, auch aus Dosen, kann so wunderbar lecker sein. Die Nässe in unserer Kabine bemerken wir nur noch ganz am Anfang, bevor wir tief und fest einschlafen. Was für ein herrlicher Tag.

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